Die Adler vom Breiten Luziri
Eine Erfolgsgeschichte über das gezielte Errichten von Kunsthorsten in der Feldberger Seenlandschaft
Fred Bollmann
Fischadler kamen am Breiten Luzin oder im unmittelbar angrenzenden NSG „Feldberger Hütte“ in den letzten 50 Jahren als Brutvögel nicht vor. Dies ist vor allem auf das Fehlen von geeigneten Horstbäumen zurückzuführen. Ideal sind uralte Kiefern, sogenannte Überhälter, die alle anderen Bäume überragen und im Laufe ihres Lebens große sperrige Kronen entwickeln, welche dann als natürliche Nistplattformen von den Adlern genutzt werden können.
Hilfe war angesagt. 1990 begann alles am Breiten Luzin auf der Halbinsel Mönkenwerder. Die Bedingungen vor Ort schienen ideal, der ausgewählte Baum war sehr hoch und stand frei, somit war Anflug und Überblick gewährleistet. Die Unzugänglichkeit der Halbinsel machte das Ganze zu einem idealen Standort. Nach Absprache mit dem damaligen Revierförster wurde dort auf einer Fichte der erste Kunsthorst im heutigen Naturpark Feldberger Seenlandschaft mit dem Ziel errichtet, ein Fischadlerpaar anzusiedeln. Gesagt – getan! Eigentlich sollte danach nur noch gemütliches Abwarten und Geduld angesagt sein. Aber schon im ersten Jahr begann mit der „Entdeckung“ des Kunsthorstes der Ärger, und mit der Gemütlichkeit war es vorbei. Zu jener Zeit befürchteten die Anbieter von Bootsrundfahrten – sollte es tatsächlich zu einer erfolgreichen Ansiedlung kommen -, dass sie in ihren Aktivitäten eingeschränkt würden und es wegen der Adler zu einem Fahrverbot käme. Auch der damals amtierende Bürgermeister sah das ganze Projekt bedauerlicherweise nur als Ärgernis an. So stieß der prophezeite Hinweis, dass gerade sie die Nutznießer dieser Ansiedlung werden könnten und eine Rundfahrt zum Adler ein noch nie da gewesenes Highlight und eine zusätzliche Attraktion in der FSL wäre, auf taube Ohren. „Gut Ding will Weile haben“, und so vergingen 10 Jahre. 2000 war es dann endlich so weit. Ein Fischadlerpaar tauchte auf, erwies sich als sehr tolerant und zog trotz des inzwischen zunehmenden Motorbootverkehrs, welcher in keiner Weise eingeschränkt wurde, drei Junge groß. Auch im darauf folgenden Jahr hielten die Vögel ihrem „altern Horst“ die Treue und brüteten. Allerdings ohne Erfolg, denn bedauerlicherweise hatten sich Wasserwanderer das Geld für einen Campingplatz sparen wollen und stattdessen „schwarz“ auf der Halbinsel übernachtet. Dieses Verhalten wurde von Vögeln nicht toleriert. Das Weibchen verließ das Gelege, die Eier kühlten aus und die Brut war somit verloren. Unerwartet tauchte im November desselben Jahres ein Seeadlerpaar am Breiten Luzin auf und zeigte reges Interesse an dem Fischadlerhorst. Nach erfolgreicher Balz saß Ende Februar 2003 das Seeadlerweibchen fest auf den Eiern, brütete, und das Paar zog erfolgreich einen Jungvogel auf. Dieses außergewöhnliche Verhalten, der ansonsten extrem scheuen und zurückgezogen lebenden Seeadler war eine kleine Sensation. Die Ende März aus ihrem afrikanischen Winterquartier zurückgekehrten Fischadler wurden somit vor vollendete Tatsachen gestellt und verdrängt. Aber auch sie wollten ihr Revier nicht so ohne weiteres verlassen, und versuchten dann mehrere Jahre lang in den „Lichtenberger Tannen“ ihr Glück. Allerdings stellte sich nie der erwünschte Bruterfolg ein, da der ausgewählte Baum extrem windanfäilig war und somit der Horst regelmäßig aus der schwachen Krone fiel. In dieser Zeit kam es immer wieder zu spektakulären Angriffen des Fischadlers auf den Seeadler. Dies wurde fotodokumentarisch festgehalten. Letztlich gaben sie auf und verließen das Revier.
Die Seeadler allerdings legten, bezüglich der Reproduktionsrate. richtig los. Sie zogen an diesem einzigartigen Gewässer trotz der immer stärker werdenden Freguentierung durch den Motorbootsverkehr von 2004 bis 2011 jedes Jahr zwei Junge groß. 2012 kam es zwar zu einer sensationellen und erfolgreichen Dreier- Brut. In diesem Jahr flog zwar nur ein Jungvogel, aber dafür rein besonders kräftiges Weibchen aus.
Einige, liebenswerte Naturfreunde behaupten. dass der „Rangertours-Catering-Service“ einen maßgeblichen Anteil daran hat. Nach anderthalb Jahren einfühlsamer Kontaktaufnahme, ist es durch Anködern gelungen das Vertrauen der Vogel zu erlangen und somit die Fluchtdistanz zu verringern. Dieses gegenseitige Tolerieren hält bis zum heutigen Tag an und macht ein überregionales Publikum von Fotografen. Tierfilmern und Vogelbeobachtern glücklich. Die Ansiedlungsgeschichte wurde sogar verfilmt und in den meisten Reportagen über die Feldberger Seenlandschaft gehören die Seeadler vom Breiten Luzin zum festen Programmpunkt. In dem ab Oktober diesen Jahres im Kino ausgestrahlten Dokumentarfilm „Deutschlands Wilde Vögel“ spielen die Seeadler aus der Feldberger Seenlandschaft einer bedeutende Rolle.
Nicht unerwähnt sollte der vom Autor 1998 erbaute, und ebenso bekannte Fischadlerkunsthorst vom lnselhotel Brückentinsee bleiben, an dem nach erfolgreicher Ansiedlung noch zusätzlich Kameras installiert wurden. Besuchern und Hotelgästen bietet sich somit eine einmalige Gelegenheit das Brutpaar live und trotzdem störungsfrei zu beobachtet. Dies ist ein weiteres Bespiel dafür, dass Artenschutz zu einer touristischen Attraktion werden kann.
Zur Zeit befinden sich sieben Fischadlerbrutplätze im Naturpark Feldberger Seenlandschaft. Zwei Paare brüten auf Strommasten, vier auf Kunsthorsten in Bäumen. Bislang hat es nur ein Paar geschafft ohne menschliche Hilfe einen Horst zu errichten um dort erfolgreich zu brüten. Abgesehen von den Seeadlern am Breiten Luzin brüten ein Schwarzstorchen- und ein Wanderfalken-Paar auf Nisthilfen. Angespornt von den vielen Erfolgen in den zurückliegenden Jahren, wurden 2013 zwei weitere Kunsthorste für den Fischadler errichtet. Eines davon wurde von einem noch nicht geschlechtsreifen Fischadlerrnännchen angenommen, der tüchtig Nistmaterial heranschleppte. Die Weiterentwicklung darf mit Spannung erwartet werden. Die vielen vom Autor errichteten Nester haben alle wechselvolle Geschichten zu erzählen. Während die einen noch immer auf ihre Mieter warten. wurden andere zweckentfremdet: von Waschbären als gemütliche Schlafplätze oder von Wanderfalken für ihre Gelege.
Auch wenn die großen knorrigen, urigen, alten Bäume in hiesigen Wäldern leider der Vergangenheit angehören, fühlen sich diese Vogel bei uns immer noch heimisch. Die fischreichen Seen im Umfeld bieten glücklicherweise den Vögeln noch genügend Nahrung. Wenn dazu noch ein Kunsthorst in den ansonsten eher monotonen Waldstrukturen angeboten wird, ist die Aussicht der Revierbesetzung durch Fischadler groß. Aber auch Vögel, wie Waldkauz, Baumfalke, Wanderfalke, Flussseeschwalbe, Eisvogel oder Uferschwalbe nehmen angebotene Nisthilfen gerne an. Sie erfreuen uns mit ihrer Anwesenheit und tragen somit zur Artenvielfalt bei.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass mit diesem Projekt schon viel erreicht wurde, dennoch birgt es jede Menge Ausbaumöglichkeiten. Fest steht jedoch eines: in einer Zeit, die von der Zerstörung der Lebensräume und vom Artenrückgang geprägt ist, werden in Zukunft noch mehr Vogelarten auf menschliche Hilfe angewiesen sein. Nach Prüfung aller Voraussetzungen und Bedingungen sollte dies ein gemeinsames Anliegen darstellen.